AUSWERTUNG DER STATISTISCHEN DATEN

Im Jahr 2003 erreichten die Frauenhelpline rund 33.300 Anrufe. Die Telefonnummer 0800/222555 wurde damit im Durchschnitt 90 mal am Tag angewählt. Dies geht aus dem Protokoll des Telefonanbieters hervor, der jede Kontaktaufnahme mit der Helpline erfasst. Auf Grund der Personalkapazität ist die Frauenhelpline in der Regel nur einfach besetzt und es ist nicht immer möglich, jeden Anruf entgegenzunehmen und zu beantworten. Statistisch festgehalten und in dem vorliegenden Bericht ausgewertet werden nur jene Anrufe, die auch tatsächlich angenommen wurden. 2003 haben die Mitarbeiterinnen der Frauenhelpline 17.072 Anrufe persönlich betreut und beraten.

Typ der Anrufe
N=17.072

Auffallend in der Statistik 2003 ist, dass sich die konkreten Anliegen (Normalanrufe) wesentlich vermehrt haben (2002 73%, 2003 82%). Mit 82% der AnruferInnen wurde ein Gespräch geführt, wobei die vielfältigen Formen der Kontaktaufnahme, die typisch für eine telefonische Beratungseinrichtung sind und unter der Rubrik "Art des Anrufs" ausführlich beschrieben werden, zu unterscheiden sind. Die Anzahl der Beratungsgespräche hat sich damit von 2002 auf 2003 um 11 % (2002 12.417 Anrufe und 2003 13.990 Anrufe) gesteigert. Dies lässt sich vor allem auf den mittlerweile relativ großen Bekanntheitsgrad der Helpline und auf die verstärkte Medien- und Öffentlichkeitsarbeit zurückführen. Von vielen von Gewalt betroffenen Frauen, von Angehörigen, Freunden und Institutionen, die Vertrauen in die Einrichtung gewonnen haben, wurde die Nummer 0800/222 555 weitergegeben.

Bezeichnend ist auch, dass die Schweigeanrufe im Vergleich zum vergangenen Jahr bedeutend abgenommen haben (2002 27%). Mit einem Anteil von 18% von allen entgegengenommenen Anrufen werden die Schweigeanrufe folgendermaßen interpretiert: Einerseits erfolgen sie als Testanrufe von Kindern und Jugendlichen, um zu erfahren, ob die Frauenhelpline tatsächlich rund um die Uhr erreichbar ist, wer sich meldet und wie, und um letztendlich "im Fall der Fälle" vorbereitet zu sein. Wie aus einigen Beratungsgesprächen hervorging, sind sie andererseits auch als "Anlaufversuche" von Betroffenen zu werten. Daher ist es für eine telefonische Beratungseinrichtung unumgänglich, auch diese Anrufe ernst zu nehmen.


Art des Anrufs
n=13.990

Eine wesentliche Steigerung ist auch bei den konkreten Anliegen im Zusammenhang mit Gewalt ersichtlich. 2002 wandten sich 17%, 2003 25% der AnruferInnen mit einem konkreten Gewaltproblem an die Helpline. Die Gewalterfahrungen der Frauen waren unterschiedlicher Art: viele berichteten von jahrelangen, immer wieder auch akuten Gewalterlebnissen, andere von solchen, die, häufig gerade bei erlebter sexueller Gewalt, schon längere Zeit zurücklagen. In all diesen Gesprächen wurden die Hilfesuchenden umfassend beraten, betreut und unterstützt.

Rund 600 Frauen wurden von den Beraterinnen der Helpline in einer Krise bzw. akuten Gewaltsituation (187 Frauen) unterstützt. In diesen Fällen wurde im Auftrag der betroffenen Frauen bei der Exekutive interveniert oder Kontakt zu den nächstgelegenen Frauenhäusern hergestellt. Die Helpline verzeichnete vor allem nachts und an Wochenenden vermehrt Notfälle und Anrufe aufgrund akuter Krisensituationen.

Mehrfachanruferinnen: Im Jahr 2003 wurden 63 Frauen in insgesamt 963 Gesprächen von den Beraterinnen der Frauenhelpline über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet und beraten. Der Großteil dieser Anruferinnen waren Frauen, die sich in den verschiedenen Phasen, d.h. in der Zeit vor, während und nach einer Trennung/Scheidung von einem gewalttätigen Partner befanden. Zu den Mehrfachanruferinnen zählten weiters Frauen, deren Gewalterfahrungen weiter zurück lagen, die diese jedoch noch nicht verarbeiten konnten. Unter ihnen befanden sich auch psychisch Kranke, die in ihrer Kindheit Opfer von sexuellem Missbrauch, von Vergewaltigung oder anderen traumatischen (Gewalt)erfahrungen geworden waren. Ihrer spezifischen Problematik und individuellen Bedürfnissen entsprechend, haben diese Frauen die Helpline in unterschiedlicher Häufigkeit und Intensität in Anspruch genommen.

3% der Anrufe wurden von den Beraterinnen der Frauenhelpline als Serviceanrufe gewertet. Darunter fallen Anfragen von Institutionen, die mit dem Thema Gewalt konfrontiert sind und Informationen benötigen, sowie beispielsweise von Angehörigen, die Betroffene unterstützen und sich nach regionalen Beratungsmöglichkeiten erkundigen und/oder Erklärungen zur spezifischen Dynamik von Gewaltbeziehungen erfragen (eine häufige Frage in diesem Zusammenhang, die Personen aus dem sozialen Nahraum der Betroffenen stellen: "Das geht schon so lange so. Warum verlässt sie ihn nicht endlich?") In vielen Fällen gehen solche Serviceanrufe, im Sinne von Entlastung und Stärkung der Vertrauenspersonen von Betroffenen, natürlich auch in Beratungsgepräche über. Als zusätzliches Service bietet die Helpline auch den Versand von Infomaterialien sowie Recherchen im Internet an. So werden Informationen kundInnenfreundlich und unbürokratisch weitergegeben.

Unter Blitzableiter (13%) werden jene Anrufe zusammengefasst, in denen das kostenlose Beratungstelefon vorwiegend von Kindern und Jugendlichen als "Container" für Frustrationen, Verletzungen, Enttäuschungen, "Sich-nicht-ernst-genommen-fühlen" etc. verwendet wird. Die Gesprächsinhalte haben oft aggressiven Charakter, sie werden jedoch nicht als persönliche Angriffe gegen die Beraterin kommuniziert.

Personen, die beim ersten Anruf nicht den Mut haben, über ihre eigentlichen Probleme zu sprechen, werden der Rubrik Primärkontakt (26%) zugeordnet. Oft ist hier beispielsweise zu hören "Entschuldigung, hab mich verwählt", "Falsch verbunden" etc., oder es werden von Kindern und Jugendlichen für die Beraterin eindeutig nicht der Realität entsprechende Geschichten konstruiert, um die Reaktionen der Beraterinnen zu testen und sozusagen den "Ernstfall zu proben".

Unter der Kategorie Pubertätsproblem (8%) verstehen die Mitarbeiterinnen jene Anrufe, die in der einen oder anderen Form Fragen zur Pubertät beinhalten. Es werden allgemeine Fragen zum Thema Sexualität/Homosexualität, körperliche Entwicklung, Schwangerschaft, Beziehung, Freundschaft etc. gestellt.

10% der Anrufe fallen unter die Kategorie Sexueller Angriff. Dies sind beinahe ausschließlich von Männern und männlichen Jugendlichen getätigte Anrufe, in denen die Beraterinnen mit sexualisierten Beschimpfungen konfrontiert sind.

Anrufe, die aggressivere Inhalte als Blitzableiter-Anrufe hatten, wurden unter Provokation (14%) zusammengefasst. Es handelt sich um wiederholte Telefonate, die die betreffende Mitarbeiterin in ihrer Funktion als Beraterin provozieren sollen. Es sind vor allem Anrufe von Jugendlichen, die aller Wahrscheinlichkeit nach dem Testen von Grenzen dienen, aber im Besonderen auch den Sinn eines "Abreagierens" und "Machtdemonstrierens" haben können. Hier haben sie, wenn auch nur im Kleinen, die Macht, den Inhalt des Gesprächs mehr oder weniger selbst zu bestimmen, ohne sich dabei "ein Blatt vor den Mund zu nehmen" und es auch willkürlich zu beenden. Unter Umständen handelt es sich dabei aber auch um Anrufe von Erwachsenen, meist von Männern, die beispielsweise ihrer Ansicht Ausdruck verleihen, dass Frauen bereits genügend unterstützt, die eigentlich Benachteiligten der Gesellschaft jedoch die Männer seien.

Unter Sonstiges (1%) sind alle übrigen Anrufe zusammengefasst, die unter den oben genannten Begriffen nicht oder nur schwer einzuordnen sind.

Geschlecht der AnruferInnen
n=13.990

56% der Anrufe kamen von Frauen und Mädchen. Auch Männer nehmen diese Einrichtung in Anspruch. 26% Männer und männliche Jugendliche haben sich im vergangenen Jahr an die Frauenhelpline gewandt. Neben den männlichen Jugendlichen sind dies vor allem Personen aus dem Umfeld der Betroffenen, die sich Sorgen machen und sich Auskunft für ihre Arbeitskollegin, Schwester, Mutter oder Bekannte holen. Bei der Kategorie "nicht ersichtlich" (18%) handelt es sich um meist sehr junge Menschen, bei denen das Geschlecht aufgrund der kindlichen Stimme nicht zugeordnet werden konnte.

Verteilung der Anrufe auf die Woche
n=13.990

Mehr als ein Drittel aller erfassten Anrufe (34%) erfolgten am Wochenende, in einer Zeit, in der viele andere Hilfseinrichtungen geschlossen haben.

Verteilung Tageszeit Anrufe
n=13.990

Von den Anrufen während der Woche war ein Großteil (41%) am Nachmittag in der Zeit von 12-18 Uhr zu verzeichnen. 32% der AnruferInnen wurden vom Helplineteam am Abend (früher und später Abend) und 12% in der Nacht betreut.

Altersverteilung der AnruferInnen
n=13.990

13% der AnruferInnen waren Kinder, 40% Jugendliche und junge Erwachsene bis 18 Jahre. Ein Grund für den hohen Anteil an Jugendlichen ist sicherlich im Bekanntheitsgrad der Einrichtung an Schulen zu finden. Das Anti-Gewalt-Comic für Jugendliche "Bad Secrets" (herausgegeben vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser), das mit der Helplinenummer versehen ist, wird seit zwei Jahren verstärkt von Schulen bestellt und als Unterrichtsmaterial zum Thema Gewalt in der Familie verwendet. Eine weitere nicht unwesentliche Ursache für die starke Inanspruchnahme der telefonischen Hilfseinrichtung durch junge Menschen liegt auch darin, dass die Nummer kostenlos zur Verfügung steht. 25 % waren Erwachsene, wobei sich zunehmend ältere Frauen über 50 Jahre an die Helpline wandten (2002 waren es 2%, 2003 5%). Bei etwa 17% war das Alter nicht ersichtlich; es wird auch nicht bei jedem Gespräch erfragt bzw. angegeben.

Nationalität der AnruferInnen
n=13.990

Unter allen AnruferInnen wandten sich 3% MigrantInnen an die Helpline. Dieser geringe Anteil lässt sich dadurch erklären, dass die Frauenhelpline noch keine muttersprachliche Beratung anbieten kann.

Verteilung der Anrufe auf die Bundesländer
n=4.030
9.960 nicht ersichtlich

Bei der Verteilung der Anrufe auf die Bundesländer haben sich im Vergleich zum vergangenen Jahr nur geringe Veränderungen ergeben. 43% aller AnruferInnen, die ihre Herkunft bekanntgaben, kamen aus dem Raum Wien, 19% aus Niederösterreich, 16% aus der Steiermark und 7% aus Kärnten. Die anderen Bundesländer bewegen sich auch 2003 zwischen 1% (Vorarlberg) und 5% (Oberösterreich). Aus Anonymitätsgründen werden die AnruferInnen nicht dezidiert nach ihrem Wohnort gefragt.

Umfeld der Betroffenen
n=664

Die Helpline wurde auch von Personen aus dem Umfeld der Betroffenen in Anspruch genommen, die bezüglich einer Hilfestellung, Informationen oder Auskunft dieses Service benötigten. 30% der Anrufe kamen von nahen und weiten Angehörigen (Kinder, Geschwister, [Ex-] Ehepartner, Eltern, usw.). Der Großteil der Anfragen (70%) kam von Personen aus dem sozialen Nahraum (Bekannte, NachbarInnen, ArbeitskollegInnen und FreundInnen) und von Institutionen.

Inhalt der Anrufe
n=5.090

Unter „Inhalt der Anrufe“ werden all jene Themen erfasst, die in den Telefonaten angesprochen werden. Daher sind - bezogen auf ein Gespräch - Mehrfachnennungen möglich.

Bei 34% der Anrufe war eine konkrete Gewaltsituation/ Gewalterfahrung bzw. -betroffenheit Inhalt des Gesprächs. In 20% der Anrufe wurde eine Trennung bzw. Beziehungeskrise von den Betroffenen zum Thema gemacht und 11% der Inhalte bezogen sich auf Probleme in der Familie. In 9% der Gespräche wurden Schwierigkeiten, die sich aus der Lebensgeschichte der AnruferInnen ergaben und zum Teil mit Gewalterfahrungen in Zusammenhang standen, besprochen. Unter der Rubrik "Probleme bzw. Unzufriedenheit mit Institutionen" (8%) werden Inhalte erfasst, in denen von den AnruferInnen beispielsweise Beschwerden über das Vorgehen der Exekutive und/oder anderen Behörden geäussert wurden. Unter "Sonstiges" (16%) fallen Inhalte wie Suiziddrohungen, Gesundheit, Schwangerschaft, psychische Probleme, etc..

 

Inhalt der Beratungen
n=5.772

Die zentrale Aufgabe der Helpline liegt in dem umfassenden Beratungsangebot zum Thema Gewalt gegen Frauen (vgl.: Beratung in Akutsituationen, Krisenberatung, unterstützende Beratung/Entlastung). Aber auch die Informationsweitergabe und die möglichst unbürokratische Weitervermittlung an die zuständigen Einrichtungen bilden einen wichtigen Faktor. Das bedeutet, dass es in sehr vielen Gesprächen nach intensiver Beratung und Information auch zu einer Weitervermittlung kommt. Dabei werden die Hilfesuchenden gezielt an die entsprechenden regionalen Beratungs- und Opferschutzeinrichtungen und/oder andere soziale Institutionen verwiesen.

Weitervermittlung
n=2.207

Unter die Rubrik „"Sonstige"” fallen Einrichtungen wie z.B. Kriseninterventionszentren, Männerberatungsstellen, Familienberatungsstellen, Institutionen, in denen Rechtsberatung angeboten wird etc..

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